Der helle Himbeersaft
Kurzgeschichte von Dirk Hagen
Opa Albert war ein Fischersmann und nahm den kleinen Dirk immer auf seinem Kutter mit, der im Strohauser Siel lag und auf die Flut wartete. Fast täglich fuhren sie raus auf die Schweiburg, um dort zu fischen. Die Schweiburg ist ein kleiner Nebenarm der Weser. Auf der einen Seite sah man das Deichvorland und auf der anderen Seite die kleine reithbedeckte Weserinsel Strohauser Plate.
Da der Tag lang war und die beiden auf dem Wasser auch mal Hunger und Durst hatten, gab Oma den schwer arbeitenden Fischern immer ein paar Butterbrote und eine Flasche selbstgemachten Himbeersaft mit. Auf dem Weg zum Strohauser Hafen kamen die beiden an der kleinen Hafenkneipe vorbei. Bevor es nun an Bord ging, stieg Opa Albert vor Willys Kneipe vom Rad, rief alle dort spielenden Kinder zu sich und bot jedem ein Schluck von dem guten Himbeersaft an. Aber nicht alles. Ein knappes Viertel blieb in der Flasche. Damit ging er dann in die Gaststube und ließ sich von Willy, dem freundlichen Gastwirt, die Flasche wieder auffüllen. Natürlich nicht mit Himbeersaft. Den gab's hier auch gar nicht. Nein, es war der gute alte Hullmann, wie Opa erzählte. Jetzt sah der Himbeersaft zwar etwas klarer aus, jedoch etwas Farbe schimmerte immer noch, wenn man die Flasche gegen die Sonne hielt. „Jetzt schmeckt der Saft noch besser“, meinte Opa dann und begab sich mit Dirk auf den Kutter.
Auf der Schweiburg wurde Anker geworfen und dann erst mal kräftig gefrühstückt. Omas Butterbrote schmeckten immer hervorragend in der frischen Seeluft. Nur vom Himbeersaft gab Opa nie etwas ab. Dirk musste immer den blöden Tee trinken, den Opa mit dem abgestandenen Wasser aus dem Kanister kochte - und der Oma durfte er niemals erzählen, das Opa den guten Himbeersaft immer verdünnt hat.
© Dirk Hagen